Niels Garve ist Principal Engineer für KI-Lösungen bei der Experience One AG. Mit über zehn Jahren Erfahrung in der Entwicklung von Daten- und KI-Systemen treibt er die technische Innovation in der Kreativbranche voran. Im aktuellen KI Whitepaper des Gesamtverbands Kommunikationsagenturen (GWA) spricht der KI-Experte über seine Rolle und die sich verändernde Zusammenarbeit von Mensch und KI.
Meine Rolle wird sich vor allem in den Bereichen Mensch-Maschine-Interaktion und Maschine-Maschine-Kommunikation weiterentwickeln. Heute konzentriere ich mich auf sprachbasierte KI-Systeme, doch in Zukunft werden weitere Kommunikationsebenen wie Mimik und Gestik eine Rolle spielen. Dadurch können Nutzerintentionen und Emotionen noch präziser erkannt werden. Das erfordert nicht nur intelligentere Tests und Konzepte, sondern auch ein stärkeres Verantwortungsbewusstsein von der Beratung bis zur datenschutzkonformen Umsetzung von KI-Lösungen. Ein weiteres zentrales Thema ist die Maschine-Maschine-Kommunikation. Schon heute arbeiten wir mit autonomen KI-Agenten, die beispielsweise die automatisierte Erstellung von Landingpages steuern. In fünf bis zehn Jahren werden wir leistungsfähige Co-Piloten entwickeln, die nicht nur Inhalte generieren, sondern eigenständig Prozesse übernehmen. Der Fokus wird sich von reiner Content-Erstellung hin zu skalierbarem Eins-zu-Eins-Kundenkontakt verschieben.
KI verändert meine Arbeit enorm. Generative KI ist für mich wie ein zusätzliches Teammitglied – sie hilft mir, Ideen zu strukturieren, neue Perspektiven zu entwickeln und schnell Prototypen zu erstellen. Die größte Effizienzsteigerung liegt darin, dass KI Routineaufgaben übernimmt, etwa das Erstellen von Präsentationen oder die Generierung von Text- und Code-Entwürfen. Ein Beispiel ist meine Eigenentwicklung, der „LinkedIn-Poster“. Dieses Tool nutzt GPT und Google, um nicht nur Texte zu generieren, sondern auch Video-Sequenzen zu erstellen. Es entstand aus einem Innovationsprojekt zur automatisierten Landingpage-Erstellung – ein Bereich, in dem wir bereits erfolgreich mit mehreren KI-Agenten arbeiten.
Wir setzen mittlerweile auf ein eigenes Experience One-GPT, das auf EU-gehosteten Modellen basiert. Damit integrieren wir verschiedenste KI-Tools – von Code-Editoren über Writer-Tools bis hin zu unserem LinkedIn-Poster. Ein echter Gamechanger sind für mich geschützte KI-Playgrounds, die wir intern eingeführt haben. Sie bieten eine sichere Umgebung, um neue Technologien zu testen und innovative Lösungen zu entwickeln. Gerade weil sich KI-Tools rasant weiterentwickeln, brauchen wir diese Freiräume für Experimente.
Viele Unternehmen suchen strategische Beratung in drei Kernbereichen: Sie brauchen Orientierung beim Einstieg in KI-Projekte, die richtige Balance zwischen Funktionalität und Machbarkeit und eine klare Strategie zur Skalierung ihrer KI-Anwendungen. Einige Kunden haben bereits Use Cases identifiziert, aber sie wissen nicht, wie sie sie umsetzen und erweitern sollen. Hier setzen wir an: Wir beraten nicht nur technologisch, sondern auch strategisch, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln.
Es gibt eine hohe Erwartungshaltung, dass KI alle Probleme auf einmal löst. Doch das ist nicht der Fall – es geht darum, maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, die sich an den Geschäftsmodellen der Kunden ausrichten. Datenschutz und Sicherheit sind zentrale Themen. Unsere Kunden fordern robuste Sicherheitsmaßnahmen, besonders wenn personenbezogene Daten verarbeitet werden. Deshalb setzen wir auf ISO-zertifizierte Lösungen, um das Vertrauen in unsere Technologien zu stärken.
Generative KI macht möglich, wovon wir seit 20 Jahren träumen: personalisierte Kommunikation und skalierbare Eins-zu-Eins-Beratung – für Millionen von Kunden gleichzeitig. Aktuelle Schwächen, etwa das Halluzinieren von KI, lassen sich durch Guardrailing weitgehend kontrollieren. Eine große Einschränkung ist allerdings, dass KI noch stark auf Sprache limitiert ist. In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird sie sich durch Mimik, Gestik und kontextuelle Anpassungen weiterentwickeln, um noch natürlicher mit Menschen zu interagieren.
Der Schlüssel liegt in Transparenz, Schulung und Aufklärung. Unsere Mitarbeitenden werden gezielt geschult, um KI verantwortungsvoll zu nutzen. Zusätzlich haben wir Mechanismen implementiert, die sicherstellen, dass KI-gestützte Entscheidungen nachvollziehbar und ethisch vertretbar sind.
Ein offener Austausch ist essenziell. Wir haben feste Formate etabliert, um den internen Wissenstransfer zu stärken. Zum Beispiel treffen wir uns regelmäßig zu unseren Friday Tech Talks, um neue Technologien, Herausforderungen und Best Practices zu besprechen. Ein weiteres Highlight ist unser jährlicher „EO Day“, bei dem wir mit Kundi:nnen, Partner:innen und Expert:innen die neuesten KI-Trends diskutieren.
Mit der Maschine-Maschine-Kommunikation – also der Interaktion zwischen KI-Agenten – erreichen wir ein völlig neues Level generativer KI. Das wird Prozesse automatisieren, Effizienz steigern und Menschen von Routineaufgaben entlasten. Dennoch bleibt der Mensch unverzichtbar. Unsere Rolle wird sich von operativen Tätigkeiten hin zu strategischem Denken und kreativer Konzeption verlagern. Und genau darauf freue ich mich.
Das KI Whitepaper des Gesamtverbands Kommunikationsagenturen (GWA) „Neue Spielregeln – Wie KI das Agenturgeschäft definiert“ will Unternehmen dazu aufrufen, KI-Systeme gezielt in ihre Geschäftsprozesse zu integrieren, um ihre Potenziale konsequent auszuschöpfen.