Die Einsatzfelder für KI wachsen, ebenso wie die Erwartungen: Effizienzgewinne, Wettbewerbsvorteile, ein wirksames Mittel gegen Fachkräftemangel. KI-Agenten rücken als Lösungsoption immer stärker in den Fokus. Doch wie weit sind deutsche Unternehmen wirklich? Und wo sitzen gerade die entscheidenden Hebel, um die KI-Transformation zielgerichtet voranzutreiben?
Während viele Unternehmen die vergangenen Jahre zum Experimentieren genutzt haben, steht 2025 im Zeichen der konkreten Umsetzung. KI wird nicht mehr nur in der IT oder im Marketing eingesetzt, sondern findet zunehmend Eingang in zentrale Geschäftsprozesse – von der Fertigung über den Vertrieb bis zum Kundenservice. Gleichzeitig steht die KI-Transformation vor einem Paradigmenwechsel: Dem Sprung von generativer KI zu Agentic AI.
Generative vs. Agentic AI: Von den Content-Maschine zum Teammitglied Generative KI, wie Sprachmodelle GPT oder Claude, ist vor allem darauf spezialisiert, Inhalte zu verstehen, zu übersetzen und neu zu generieren – von Texten über Bilder bis hin zu Videos. Sie reagiert auf Eingaben und liefert meist die erstbeste Antwort, ohne tiefergehende Kontextanalyse oder Planung. Agentic AI geht hier einen entscheidenden Schritt weiter: Sie versteht nicht nur die Situation, sondern auch den Kontext. Sie plant zielgerichtet ihre eigenen Handlungen, trifft autonome Entscheidungen und „denkt mit“. Dabei erstellt sie nicht nur Ergebnisse, sondern prüft, validiert und optimiert diese eigenständig, indem sie weitere Informationen und Tools einbezieht. Dieser „Reasoning“-Prozess ermöglicht es Agentic AI, selbstständig Probleme zu lösen und als eigenständiger Akteur im Team zu agieren – was sie zum vielversprechenden Baustein zukünftiger Unternehmensstrategien macht.
Deutsche Unternehmen auf dem Sprung zur autonomen KI? Laut Statistischem Bundesamt nutzen mittlerweile fast die Hälfte der deutschen Großunternehmen und ein Viertel der Mittelständler Künstliche Intelligenz – mit steigender Tendenz. Weltweit arbeiten bereits rund 26 Prozent der Unternehmen an der Entwicklung eigener KI-Agenten. Vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel und steigendem Effizienzdruck zeigen 62 Prozent der deutschen Unternehmen ein gesteigertes Interesse an autonomen KI-Agenten, deutlich mehr als der internationale Durchschnitt von 52 Prozent.
Doch wenngleich an jeder Ecke von KI-Agenten die Rede ist: die Realität sieht anders aus. Viele Firmen nutzen KI vor allem als Tool oder reaktiven Assistenten, der vorgegebene Abläufe abarbeitet. Echte autonome Agenten, die selbst Entscheidungen treffen und proaktiv handeln, sind noch selten.
Dieser Status quo ist kein Zufall, sondern Ausdruck einer notwendigen Entwicklungsetappe. Unternehmen müssen zunächst die Grundlagen – vor allem das nötige Wissen und definierte Workflows – solide aufbauen, bevor sie den nächsten Schritt gehen können: den Aufbau einer Agentenlogik und die Übergabe von Verantwortung an KI-Systeme. Nur wer diese Hausaufgaben macht, kann langfristig von den Effizienz- und Innovationspotenzialen echter KI-Agenten profitieren.
Vom Tool zum Agenten – Fünf Stufen auf dem Weg zur autonomen KI Um diese Entwicklung greifbar und strukturiert zu begleiten, haben wir ein Reifegradmodell entwickelt, das einen strukturierten Überblick über die aktuellen und künftigen Fähigkeiten von generativen sowie Agentic-AI-Systemen liefert. Das 5-Level-Modell zur Systematisierung von AI Experiences unterscheidet zwischen Tool, Assistent, Agent, Professional und Innovator. Dabei wird deutlich: Wer Level 1 und 2 nicht sauber vorbereitet hat, wird scheitern, wenn es in Level 3 um Agentic AI geht.
Level 1: Tool – Wissen verfügbar machen Im ersten Level dient KI als intelligentes Werkzeug. Sie beantwortet Fragen, generiert Inhalte oder analysiert Daten – regelbasiert, reaktiv und ohne Kontextverständnis. Ihre Leistung basiert auf verfügbar gemachtem Wissen: je besser aufbereitet, desto höher der Nutzen.
Was Unternehmen jetzt tun sollten:
Level 2: Assistent – Prozesse modellieren Die KI übernimmt bestimmte Aufgaben innerhalb fester Abläufe. Sie agiert als digitaler Assistent entlang definierter Entscheidungsbäume, etwa bei E-Mail-Antworten, Lead-Qualifizierung oder Report-Erstellung. Die Verantwortung bleibt beim Menschen. Doch ohne eine gegen die neuen Möglichkeiten modellierte Prozessstruktur, kann KI keine produktive Rolle einnehmen. Assistenten brauchen klare Handlungsrahmen. Und genau hier liegt Deutschlands entscheidender Wettbewerbsvorteil: Nicht in der Entwicklung großer Sprachmodelle, sondern im tiefen, operativen Prozess-Know-how der Betriebe.
Was Unternehmen jetzt tun sollten:
Level 3: Agent – Entscheidungsfähigkeit unterstützen Im dritten Level beginnt die eigentliche Agentenlogik. Die KI plant und entscheidet eigenständig, um einen definierten Ergebnistyp zu erreichen. Sie analysiert den Kontext, nutzt verschiedene Tools, orchestriert Prozesse und passt ihre Vorgehensweise dynamisch an. Das System denkt nicht mehr in Tasks, sondern in Intentionen und Outcomes.
Was Unternehmen jetzt tun sollten:
Level 4: Professional – Verantwortungsbereiche übergeben In dieser Phase übernimmt die KI eine komplette Rolle – inklusive aller Aufgaben, Entscheidungsbefugnisse und Priorisierungen. Sie arbeitet eigenständig im Rahmen ihrer Zuständigkeit, steckt sich Ziele, berücksichtigt Rückkopplungen, plant langfristig und stimmt sich mit anderen (menschlichen oder KI-)Akteuren ab. Zum Beispiel: Ein KI-basierter „Produktmanager“, der Marktdaten analysiert, Feature-Roadmaps erstellt, A/B-Tests plant und daraus Maßnahmen ableitet. Aktuell sprechen wir hier noch von Zukunftsmusik – aber mittelfristig wird auch diese Stufe zum realistischen Ziel.
Level 5: Innovator – KI als kreativer Vordenker Hier wird KI zum aktiven Innovationspartner. Sie erschließt eigenständig neue Quellen, entwickelt eigene Hypothesen, schlägt neue Geschäftsmodelle oder Produktideen vor, auf die zuvor noch niemand gekommen ist. Sie führt unbegrenzte Iterationen und Simulationen durch, um das beste Ergebnis zu erhalten, lernt kontinuierlich dazu, verknüpft Wissen aus verschiedenen Domänen. Diese Stufe bleibt zunächst perspektivisch. Doch mit wachsender Modellintelligenz, einer ausgereiften Integration von menschlichen Feedback-Loops und neuen Wege des Reinforcement Learnings (Lernen durch Versuch und Irrtum) wird auch diese Vision greifbarer.
Von der KI-Nutzung zur KI-Orchestrierung Die Entwicklung hin zu Agentic AI ist nicht linear – sie verlangt Struktur, Zielklarheit und die Bereitschaft KI als Teammitglied zu integrieren. Viele Unternehmen stehen heute zwischen Level 1 und 2, erste wagen den Sprung auf Level 3. Der Übergang von Tools zu Agenten ist dabei mehr als ein Technologie-Upgrade: Er verändert Rollen, Prozesse, Führungsverständnis und Wertschöpfung.
Wer mit KI echte Wirkung entfalten will, sollte die folgenden Hebel strategisch in Bewegung setzen:
Wer heute strukturiert, kann morgen delegieren 2025 ist das Jahr, in dem KI operationalisiert wird – durch klar definierte Workflows, strukturierte Wissenssysteme und erste Agenten. Der Einsatz generativer KI bleibt wichtig – doch wer ihre Weiterentwicklung zu Agentic AI verschläft, riskiert den Anschluss zu verlieren. Nur wer systematisch denkt und die eigene KI-Architektur sauber aufbaut, kann später Verantwortung an autonome Systeme abgeben – und damit die nächste Stufe der Digitalisierung erreichen.
Alle Details zum 5-Level-Modell gibt's im Whitepaper „Road to Agentic AI“.